Bericht über den 2.Tag am Protestzelt

Der zweite Tag am Protestzelt in der Altstadt war ganz besonders durch die vielen Besuche, Gespräche und viele Spenden von Menschen gezeichnet, die sich den ganzen Tag über solidarisch zeigten. Menschen, die in der einen oder anderen Weise mit dem Thema zu tun haben und spürbar dankbar sind, für einen Ort des Austauschs, um über die unterschiedlichen Problemlagen zu sprechen. Viele Afghan_innen mit Ablehnungsbescheiden, aber auch ratsuchende unterstützende Bezugspersonen waren den ganzen Tag über am Zelt.

Bericht zum 2. Protesttag:

Donnerstag, 11.5.2017

Nach einer langen und kühlen Nacht besuchte Miriam Koch, als Flüchtlingsbeauftragte der Stadt Düsseldorf, heute vormittag das Protestzelt am Düsseldorfer Rathaus. Sie sprach mit einigen Afghan_innen und Unterstützer_innen vorallem über die kommunalen Möglichkeiten, Abschiebungen aus Düsseldorf nach Afghanistan zu verhindern. Die Düsseldorfer Verwaltung werde sich demnächst strukturell verändern und als Teil dessen auch die kommunale Ausländerbehörde. Ihre Beratungsaufgabe solle im Zuge dessen stärker verankert und umgesetzt werden, auch im Sinne der Bleiberechtsmöglichkeiten für abgelehnte Asylberwerber_innen. Mit dem Stadtratsbeschluss vom 2. Februar hatte der Stadtrat die Verwaltung bereits aufgefordert, jeden Ermessensspielraum zu nutzen, um Abschiebungen von Afghan_innen aus Düsseldorf zu verhindern. Bis jetzt sei im Zuge der Sammelabschiebungen niemand aus Düsseldorf nach Afghanistan abgeschoben worden. Frau Koch bot außerdem an, konkrete Ablehnungsbescheide nochmals rechtlich prüfen zu lassen, um das BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) zu den sehr oft fehlerhaften und aufgrund politischer Vorgaben inhaltlich unzumutbaren Bescheiden von afghanischen Geflüchteten zur Rede zu stellen. Die Düsseldorfer Afghan_innen sind somit aufgerufen, ihre Ablehnungsbescheide u.a. auf gravierende Fehler hin zu kennzeichnen und sie gesammelt bei Frau Koch einzureichen. Die anwesenden Afghan_innen unterhielten sich mit ihr anschließend auch über andere konkrete Probleme der Unterbringungssituation und es wurde begrüßt, dass im Laufe des Jahres der Ausländerbehörde endlich eine unabhängige Beschwerdestelle angegliedert werden soll.

Frau Düker (Mitarbeiterin des Landtages und ehemalige flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen) besuchte das Protestzelt am Nachmittag. Frau Düker vermittelte ein Bild von den gegenwärtigen politischen Positionen in der Landes- und Bundesregierung, welches nochmals eine enorme Pro-Abschiebung-Stimmung innerhalb der Mehrheitsparteien CDU und SPD verdeutlichte. Wie es die Betroffenen und ihre Unterstützer*innen ganz besonders in den letzten Monaten stark erleben mussten. Vorallem im „Super-Wahljahr 2017“ sei von ihnen kein Abrücken von der Aushöhlung des Asylrechts zu erwarten. Das zeige das hartnäckige Festhalten der Regierung von Hannelore Kraft an den Afghanistan-Abschiebungen, gegen alle Fakten. Frau Düker versicherte, sie werde das Anliegen der Protestierenden erneut in die entsprechenden Landesministerien weitertragen. Viele Problemlagen der Afghan_innen wurden besprochen sowie über die rechtlichen Möglichkeiten der von Abschiebung Bedrohten gesprochen. Als Fazit konnte von den Diskutierenden nicht viel mehr festgestellt werden, als dass sich die Mehrheitsverhältnisse – welche derzeit Abschiebungen befürworten – nur durch einen enormen zivilgesellschaftlichen Druck verändern lassen. Dadurch, dass sich Bürger_innen mit den von Abschiebung bedrohten Menschen solidarisieren und ihre Sichtbarkeit in der öffentlichen Debatte verstärken. Die Afghan_innen verfolgen genau dieses Anliegen und wollen durch ihren Protest mit den Menschen in dieser Stadt in Kontakt kommen. Sie sind offen für politische Debatten und Auseinandersetzungen in der Frage, wie sicher es in Afghanistan wirklich ist und warum sie gezwungen waren, ihre Heimat zu verlassen.

Am frühen Abend beschlossen die afghanischen Protestierenden zur nahegelegenen Wahlkampfveranstaltung von Bundeskanzlerin Angela Merkel aufzubrechen, um dort mit Flyern und einem großen Transparent auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. Doch 150 Meter von der Bundeskanzlerin entfernt, blieb es nur ein symbolischer Besuch, welcher erneut die riesige Distanz zwischen der Lebenswelt und den Zukunftsängsten afghanischer Geflüchteter und der bestimmenden Politik in Deutschland verdeutlichte. Zumindest konnten auch dort weitere interessierte Menschen zum Protestzelt eingeladen werden, welches noch bis morgen Abend um 19:30 Uhr vor dem Rathaus stehen wird und dann für weitere zwei Tage bis zum Wahl-Sonntag auf den Burgplatz verlegt wird.

Solidarische Besuche und Unterstützung sind Tag und Nacht willkommen!

https://youtu.be/4_Ew0ZOVPDY

facebook.com/nedajeafghan

afghanischer-aufschrei.de

#NedajeAfghan

Unterstützungsschreiben anderer Initiativen

Heute hat uns die erste Solidaritätserklärung zu unserem Protestzelt erreicht. Sie kommt von den Engagierten der Gruppe Treffpunkt Asyl aus Bochum, die uns und die wir schon bei dem Versuch unterstützt haben, in unseren Städten eine politische Mehrheit für die Nicht-Beteiligung an Abschiebungen in das Kriegsland Afghanistan zu gewinnen. In Bochum leider mit einem traurigen und sehr beschämenden Ausgang für die politischen Entscheidungsträger*innen der rot-grünen Stadtregierung. In Düsseldorf positionierte sich der Stadtrat hingegen erfreulich und fast einstimmig für unseren Appell.
Afghanistan ist nicht sicher!

10.05.2017 Solidarität mit dem Protestzelt gegen Abschiebungen nach Afghanistan – Abschiebestopp jetzt!

Ab Mittwoch werden Aktivist*innen von „Nedaje Afghan – Afghanischer Aufschrei“ in Düsseldorf gegen Abschiebungen nach Afghanistan protestieren. Bis Sonntag, dem Tag der Landtagswahlen in NRW, werden sie in einen ständigen Protest treten.

Seit Dezember letzten Jahres finden regelmäßig Sammelabschiebungen nach Afghanistan statt. Während andere Landesregierungen, wie in Schleswig-Holstein, aufgrund der Sicherheitslage in Afghanistan einen Abschiebestopp verhängt haben, beteiligt sich NRW an den regelmäßigen Sammelabschiebungen. Zuletzt wurden am 24. April wurden 14 Afghan*innen, darunter sieben Afghan*innen aus NRW, nach Afghanistan abgeschoben.

Kundgebung vor dem Bochumer Rathaus, zur Stadtratssitzung am 30.03.2017

Unsere Freund*innen von „Nedaje Afghan – Afghanischer Aufschrei“ kämpfen seit Monaten gegen Abschiebungen. Sie veranstalten Informationsveranstaltungen, Demonstrationen und Appelle und richten sich mit ihren Protesten immer wieder an die rot-grüne Landesregierung in NRW. Auch haben sie unseren Appell an die Bochumer Verantwortlichen gegen Abschiebungen nach Afghanistan in Bochum unterstützt und mitgetragen.

Wir solidarisieren uns mit den Aktivist*innen und rufen alle Menschen dazu auf, dies ebenfalls zu tun und die Proteste zu unterstützen. Der Protest tags- und nachtsüber ist ein wichtiges Zeichen an die Landesregierung:
Es darf keine weitere Abschiebung in das Kriegsland Afghanistan geben!

Wir fordern deshalb die Landesregierung in NRW auf: Verhängt einen Abschiebestopp und setzt euch auf Bundesebene für ein Bleiberecht von afghanischen Geflüchteten ein!

Afghanistan ist nicht sicher!

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MFH solidarisiert sich mit Protestzelt gegen Abschiebungen nach Afghanistan, 12.05.2017

Seit Mittwoch, 10. Mai, protestieren Aktive der Gruppe Nedaje Afghan نداى افغان – Afghanischer Aufschrei – Afghan Outcry auf dem Marktplatz in Düsseldorf mit einem Protestzelt für einen landesweiten Abschiebestopp. Seit Dezember 2016 finden Sammelabschiebungen nach Afghanistan statt – insgesamt 107 Menschen wurden zwangsweise nach Kabul ausgeflogen. Bei der vergangenen Abschiebung am 25. April mussten acht Menschen aus NRW Deutschland verlassen.

Laut Sicherheitseinschätzung der Großen Koalition im Bund gebe es „genug sichere Gebiete“ in Afghanistan. Obwohl das Auswärtige Amt eine Reisewarnung für das Land verhängt und der UNHCR in seinem Bericht von Dezember 2016 von einer „pauschalisierenden Sicherheitseinschätzung“ abrät, weil sich die Sicherheitslage eben „rapide verschlechtert“ hatte. Taliban, IS und andere Milizen liefern sich erbitterte Kämpfe mit den Sicherheitskräften oder verüben Terroranschläge – nur noch etwa 60 Prozent des Landes sollen unter der Kontrolle der staatlichen Regierung sein. Laut Berichten der UN-Mission in Afghanistan wurden alleine im Jahr 2016 3.498 Menschen getötet, 7.920 verletzt.

Die Schutzquote für afghanische Menschen in Deutschland sinkt wegen der Einschätzung der Bundesregierung trotzdem weiter. Lag sie 2015 noch bei 78 Prozent, wurden Anfang 2017 nur noch 48 Prozent der Asylsuchenden ein Schutzstatus zugesprochen. Seit Februar 2017 hat die EU ein Abkommen mit Afghanistan geschlossen: Die EU zahlt bis 2020 1,2 Milliarden Euro pro Jahr an Afghanistan – dafür soll das Land die abgeschobenen Menschen wiederaufnehmen.

Aktive rufen zur Unterstützung auf

Nedaje Afghan sagt: „Es gibt keine Region, die dauerhaft sicher ist. Deshalb darf kein einziger Mensch nach Afghanistan abgeschoben werden.“ Wie Schleswig-Holstein soll das Land NRW deshalb einen Abschiebestopp verhängen und somit auch die Bundesregierung zum Umdenken in ihrer Sicherheitsbewertung bewegen. „Auch für unsere KlientInnen in Bochum ist die Abschiebedrohung eine enorme psychische Belastung. Wir unterstützen deshalb den selbstorganisierten Protest von Geflüchteten in Düsseldorf“, so Christian Cleusters, Geschäftsführer der Medizinischen Flüchtlingshilfe Bochum e.V.

Bis Sonntag, 14. Mai, an dem die Landtagswahlen in NRW stattfinden werden, wollen die Aktiven ihr Protestzelt weiter machen. Heute, 12. Mai, wird es auf den Düsseldorfer Burgplatz umziehen. Nedaje Afghan ruft dazu auf, vorbei zu kommen, sich solidarisch zu zeigen und die Proteste zu unterstützen. Jeden Abend gibt es um 18 Uhr ein Plenum am Zelt.

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an m.wenzel@mfh-bochum.de.

 

Pressemitteilung vom 8. Mai: Vor der Landtagswahl: Protestzelt gegen Abschiebungen und Mahnwache afghanischer Geflüchteter in der Düsseldorfer Innenstadt

Pressemitteilung / Einladung zur Pressekonferenz

der Gruppe ‚Nedaje Afghan – Afghanischer Aufschrei‘ Düsseldorf

Düsseldorf, 08.05.2017

Vor der Landtagswahl: Protestzelt gegen Abschiebungen und Mahnwache afghanischer Geflüchteter in der Düsseldorfer Innenstadt ++ Durchgängiger Protest bis zum Wahltag ++++

Wir können nicht länger still auf unsere Abschiebung warten!

Fünf Tage vor der NRW-Landtagswahl werden afghanische Geflüchtete und ihre UnterstützerInnen ein Protestzelt in der Düsseldorfer Innenstadt errichten. Sie wollen in dieser Form gegen die weiterhin stattfindenden Abschiebungen in das kriegs- und krisengeschüttelte Afghanistan protestieren. Zum Auftakt findet am Mittwoch um 14 Uhr eine Pressekonferenz statt, wo neben den afghanischen Protestierenden auch der Flüchtlingsrat NRW und Friedensaktivistin Barbara Gladysch sprechen werden.

Afghanistan ist nicht sicher – die Landesregierung NRW muss endlich Verantwortung übernehmen!

Auch NRW beteiligt sich an den Sammelabschiebungen; die fünfte der bundesweiten Abschiebungen fand zuletzt am 24. April statt. NRW-Innenminister Jäger hatte jüngst in einer Pressemitteilung die „konsequenten“ Abschiebungen von Schutzsuchenden aus Nordrhein-Westfalen hervorgehoben. Für die Betroffenen bedeutet diese „Konsequenz“ hingegen den Abschied von allen Hoffnungen auf ein Leben in Sicherheit und eine bessere Zukunft.

„Wer als sozialdemokratischer Innenminister die Abschiebung von Schutzsuchenden begrüßt, hat das Recht verloren sich sozial zu nennen. Dabei hätte NRW die Möglichkeit sofort einen dreimonatigen Abschiebestopp zu beschließen, wie es schon andere Bundesländer getan haben“, so A. Massoud, Mitglied im Bündnis Nedaje Afghan – Afghanischer Aufschrei.

Während PolitikerInnen der Regierungsparteien die Abschiebungen damit rechtfertigen, dass jeder einzelne Fall eingehend geprüft werden würde, erleben viele afghanische Menschen, wie ihre Asylanträge mit den absurdesten und zynischsten Begründungen abgelehnt werden. Beispielsweise, dass Bedrohung und Folter nun einmal zum alltäglichen Lebensrisiko in Afghanistan gehören würden. Afghanische Flüchtlinge werden systematisch auf angebliche inländische Schutzalternativen verwiesen. Diese existieren aber in Wirklichkeit nicht. Sämtliche ExpertInnen, so auch der UNHCR und die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung Kofler, raten aufgrund der Sicherheitslage von Abschiebungen nach Afghanistan ab.

In allen als sicher eingestuften Großstädten finden regelmäßig Anschläge und Übergriffe statt, wobei vor allem ZivilistInnen betroffen sind. Zuletzt wurden im angeblich sicheren nordafghanischen Mazar-i-Sharif am 20.04. auch 140 Militärangehörige getötet; Anfang Mai starben bei einem weiteren Anschlag in Kabul mindestens acht ZivilistInnen.

Während die Gefahren für alle EinwohnerInnen Afghanistans in den vergangenen zwei Jahren erneut zugenommen haben, senkte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Schutzquote für AfghanInnen von rund 77,6 % im Jahr 2015 auf nunmehr 47,9 % in den ersten beiden Monaten diesen Jahres. Die Gründe dafür liegen allein in politischen Entscheidungen der Bundesregierung, wie Pro Asyl schon vor anderthalb Jahren beklagte. „Wir verlangen, dass die Bundesregierung und die Landesregierung NRWs endlich unsere Menschenrechte wahren und die Abschiebungen einstellen!“, fordert Reza Moradi, ein weiteres Bündnismitglied.

Zu der Pressekonferenz, bei der von Abschiebung bedrohte afghanische Geflüchtete, sowie Julia Scheurer vom Flüchtlingsrat NRW und die Friedensaktivistin Barbara Gladysch sprechen werden, laden wir Sie für Mittwoch, den 10. Mai um 14.00 Uhr vor das Protestzelt ein. Der genaue Ort des Protests wird nach Rückmeldung der Polizei zeitnah bekannt gegeben.

Kontakt:

Email: afghanischer-aufschrei@riseup.net

Telefon / Pressekonferenz:

C. Faber (deutsch/englisch): 015237674966

Telefon / Protestzelt:

A. Massoud (deutsch/farsi): 01739901904

Allgemeines Protestzelttelefon: 015237674966

Weitere Informationen unter:

afghanischer-aufschrei.de/hintergrund

facebook.com/nedajeafghan

 

Zur Lage Abgeschobener in Afghanistan siehe u.a.:

Besuch bei SPD-Wahlkampfveranstaltung in Neuss – Ein Bericht mehrerer Teilnehmer*innen

#NRWIR haben keine Wahl – Können Sozialdemokrat*innen Menschen in ein Kriegsgebiet abschieben?

Nedaje Afghan besucht Veranstaltung mit Hannelore Kraft in Neuss (24.04.2017), ein Bericht mehrerer Teilnehmer*innen

Am Montagabend, am selben Abend, an dem die mittlerweile fünfte, bundesweite Sammelabschiebung nach Afghanistan stattfand, machten sich Vertreter*innen des Bündnisses Nedaje Afghan – Afghanischer Aufschrei auf den Weg ins Neusser Zeughaus.

Im Rahmen des Landtagswahlkampfes der SPD veranstalteten dort Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und lokale Kandidat*innen der SPD eine „Bürger*innen-Diskussion“. Diese Gelegenheit wollten die afghanischen Geflüchteten und ihre Unterstützer*innen nutzen, um die Ministerpräsidentin zu den stattfindenden Abschiebungen öffentlich zur Rede zu stellen.

SPD hält hartnäckig an Abschiebungen nach Afghanistan fest

Trotz des offenen Koalitionsstreits zwischen Grünen und SPD in der Landesregierung hatte NRW zu der Sammelabschiebung am Montag 9 Menschen angemeldet.

Drei Wochen vor der Landtagswahl fordern die NRW-Grünen einen landesweiten 3-monatigen Abschiebestopp für Afghanistan, als Zwischenlösung, bis die Bundesregierung eine Neubewertung der Sicherheitslage vorgenommen hat, die dem tatsächlichen Kriegszustand des Landes Rechnung trägt. Ein solcher Abschiebestopp kann eigenständig aus völkerrechtlichen und humanitären Gründen von den Landesregierungen beschlossen werden, wie dies auch z.B. Schleswig-Holstein mit Verweis auf den letzten UNHCR Bericht zur Sicherheitslage in Afghanistan getan hat.

#NRWIR – Von Abschiebung bedrohte Afghan_innen unerwünscht

Die ca. 15 Personen zogen schon vor Veranstaltungsbeginn die Aufmerksamkeit der Organisator*innen auf sich, als sie lediglich vor dem Gebäude auf den Beginn der Veranstaltung warteten – dabei hatten sie bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal ihre Schilder und Transparente ausgepackt.

Im Gespräch mit den Organisator*innen wurde schnell deutlich, dass die ganze Aufregung aus der Sorge rührte, „man könne die Wahlkampfveranstaltung unangemessen stören“. Deshalb schlug ein SPD-„Verhandlungstrupp“ den Aktivist*innen ein „exklusives“ Gespräch mit Hannelore Kraft vor, doch nur unter der Bedingung, dass dieses außerhalb und vor der Veranstaltung stattfindet und Betroffene und Unterstützer*innen „im Gegenzug“ nicht an der öffentlichen Veranstaltung teilnehmen würden.

Ein Hauptanliegen des Bündnisses Nedaje Afghan jedoch ist und war es, Öffentlichkeit für die Unmenschlichkeit der Abschiebungen herzustellen und eben öffentlich Erklärungen für diese Missachtung der Menschenrechte von Frau Kraft als Kopf der Landesregierung einzufordern – anstatt mit ihr ausschließlich ein Hinterzimmergespräch zu führen, wo die Kritik still und heimlich verklingt.

Da ein Gespräch mit Kraft UND die anschließende Teilnahme an der Veranstaltung nicht zugelassen worden wären, gaben die Abschiebungsgegner*innen der öffentlichen Diskussion den Vorzug. Die letzte Spitze: Trotz offizieller Anmeldung und obwohl sie ihre Schilder und Banner bereits draußen abgestellt hatten, sollten sie dann plötzlich nur noch Zugang zur Veranstaltung bekommen, wenn sie auch noch ihre Taschen und Rucksäcke abgeben würden. Dies wurde jedoch abgelehnt, würde die SPD es nicht auch von allen anderen Besucher*innen verlangen. Letztlich wurde den 15 Personen dann doch noch der Zugang zur „Diskussionsveranstaltung“ gewährt…

Die Märchen der Hannelore Kraft

Diskussion hieß in diesem Fall, dass die Zuschauer*innen je eine Frage auf ein Kärtchen schreiben durften. Eine Auswahl der Fragen wurde dann von Frau Kraft beantwortet. Rückfragen und eigene Beiträge waren untersagt, was eine tatsächliche inhaltliche und realistische Auseinandersetzung mit dem Thema „Abschiebungen nach Afghanistan“ (und anderen Themen) verunmöglichte. Die Beteiligten schrieben also ihre Fragen auf unangemessen kleine Kärtchen und Frau Kraft konnte ihre Version der „fairen Abschiebungen light“ ohne Widerspruchsmöglichkeit verkaufen. Dabei blendete sie die tatsächliche, lebensbedrohliche Realität tausender von Abschiebung bedrohter Menschen, auch in NRW, aus.

Hannelore Kraft äußerte sich nicht zu der Möglichkeit des oben erwähnten temporären Abschiebestopps, der innerhalb weniger Tage in NRW eingelegt werden könnte, gab sich aber gleichzeitig vermeintlich menschlich: Sie sei froh, nicht selber entscheiden zu müssen, wer gehen muss und wer bleiben darf. Und betonte ihre Dankbarkeit den Engagierten gegenüber, die sich für Geflüchtete einsetzten. Wie zynisch eine solche Aussage ist, wenn man selbst zu jenen „Engagierten“ gehört und zusehen muss wie Menschen, die man kennt, aufgrund von politischen Interessen in Elend und Lebensgefahr geschickt werden, das können Politiker*innen wie sie nicht verstehen!

Ihren Neusser Zuhörer*innen erklärte sie, dass neben den „Straftätern und Gefährdern“ ausschließlich alleinstehende Männer mit Familienstrukturen vor Ort zurückgebracht werden würden.

Warum Menschenrechte nicht auch für diese Personengruppen gelten sollen und warum ihr Tod durch die Abschiebung in Kauf genommen werden kann, erklärte Frau Kraft nicht. Gerade alleinstehende Männer sind besonders von Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, den IS oder andere Warlords betroffen. Die Rechtskonstruktion „Gefährder“ – eine Einstufung die ohne gerichtlichen Beschluss durchgeführt wird – und die quasi Todesstrafe durch Abschiebung für Straftäter, machen deutlich, wie es um den von Frau Kraft angerufenen Rechtsstaat steht.

Frau Krafts Vorstellung, der Staat würde nur verwalten und keine politischen Entscheidungen treffen, ist ein trauriger Beweis für die schleichende Transformation der Demokratie in einen technokratischen Apparat. Daher wolle sie „keine politischen Entscheidungen über diese Rechtsentscheidungen stellen“ und blendet dabei aus, auf welchen menschenverachtenden politischen Grundlagen die BAMF Ablehnungen und das „Abschiebeabkommen“ mit Afghanistan im Oktober letzten Jahres fußen.

Berichte der letzten vier Monate von Pro Asyl, arte, Monitor, Zeit, FAZ u.v.m. entlarven zudem ihre Aussage zu den vorhandenen Familienstrukturen und ihre „light-Version“ als im besten Falle Unwissenheit, im schlimmsten Fall als infame Lüge. Die Minsterpräsidentin „#NRWIR“s scheint auch nicht zu wissen, dass auch Minderjährige und nicht selten Familien, die laut ihrer Aussage auf keinen Fall abgeschoben werden würden, Ablehnungsbescheide ihres Asylantrages und darauffolgend Ausreiseaufforderungen erhalten.

Zur Situation in dem Kriegsland begnügte sich Kraft mit der lapidaren Aussage: „Ich kenne mich in Afghanistan ja nicht so gut aus.“ und: „Afghanistan ist kein sicheres Herkunftsland, niemand behauptet das.“. Damit hat sich die Sache für sie und viele andere SPD-Politiker*innen anscheinend inhaltlich erledigt.

Hannelore Kraft sieht infolge dessen keine politische Verantwortung, wenn durch Abschiebungen bewusst der direkte oder nachfolgende Tod von abgeschobenen Zivilist*innen in Kauf genommen wird. Die Berichte über die abgeschobenen Menschen, Interviews, die ihre verzweifelte undlebensgefährliche Lage in Afghanistan zeigen – und die über Suizide und Suizidversuche von Abschiebungsbedrohten hier in Deutschland – können zahlreich verfolgt werden (arte, Monitor, Die Zeit, Sueddeutsche, FAZ u.v.m.). Und werden von einigen SPDler*innen dann doch getrost ignoriert, da sie ja, ganz wie unsere Ministerpräsidentin, gar keinen Einfluss auf die Abschiebungen zu haben scheinen.

Positive Beispiele von Verantwortungsübernahme wie u.a. das des Innenministers (!) von Schleswig Holstein, Stefan Studt (SPD) dagegen, werden von längst nicht mehr sozialen Parteigenoss*innen kritisiert und diffamiert. Was man von der CDU erwartete, ist in der SPD längst Alltag geworden.

Die Wahrheit muss draußen bleiben

So blieb den Fragenden nichts anderes übrig, als nach diesen Ausführungen den Raum zu verlassen. Zumindest vor dem Gebäude wollten sie aber noch durch Schilder, Banner und Flyer inhaltlich Stellung zu den Abschiebungen und zu der offiziellen Haltung der SPD nehmen, um die Veranstaltungsteilnehmer*innen wenigstens auf ihrem Nachhauseweg zu erreichen.

In einigen Einzelgesprächen wurde dann deutlich, dass viele der Bürger*innen dem Thema der Abschiebungen ebenfalls kritisch gegenüberstehen, auch überzeugte Kraft-Anhänger*innen waren immerhin gespalten, was die fatale Situation der Betroffenen angeht.

Und somit konnten die Vertreter*innen von Nedaje Afghan trotz der äußerst unbefriedigenden Antworten in der Veranstaltung und des Misstrauens, das ihnen bereits im Vorfeld der Veranstaltung entgegengebracht wurde, auch Positives aus ihrem Besuch in Neuss ziehen.

Fazit: Abschiebestopp – jetzt! Wenn die Politik „der Mitte“ Menschen in den Tod schickt, müssen Bürger*innen auf allen Ebenen dagegen aktiv werden!

An jenem Montagabend wurden erneut 14 Menschen gegen ihren Willen von München nach Kabul abgeschoben (davon 7 aus NRW!). Erneut hat ein junger Mensch versucht sich das Leben zu nehmen, weil er nach Afghanistan abgeschoben werden sollte.

Das im Grundgesetz verankerte Grundrecht auf Asyl ist zu einem schlechten Scherz verkommen, wenn Menschen in ein Kriegsgebiet abgeschoben werden, um damit eine inoffizielle Obergrenze für Geflüchtete durchzusetzen.

„Straftäter-“ und „Gefährder“-Szenarien werden derzeit aktiv kreiiert und genutzt, um die Abschiebung tausender Menschen Stück für Stück umzusetzen und in der Gesellschaft zu legitimieren. Dagegen wurde u.a. von Pro Asyl ausführlich dokumentiert, dass bereits Menschen aus diversen Lebensverhältnissen, aus Familien Hinausgerissene, Kranke sowie Menschen aus nicht als „sicher“ benannten Gebieten etc. abgeschoben wurden. Und es ist konträr zu Frau Krafts Aussagen ganz sicher eine politische Entscheidung, wenn sich die Situation in Afghanistan nachweislich verschlechtert und die Anerkennungszahlen dennoch rapide sinken.

Und auch für Straftäter – wenn es diese denn gibt – gilt das Recht auf ein rechtsstaatliches Gerichtsverfahren, und auf den völkerrechtlichen Schutz vor Folter und Tod, auch wenn Parteifunktionär*innen von „Mitte“ bis Rechts das gerne ausblenden möchten.

Dass ihre Politik brüchig und angreifbar ist, solange Parteien wie die SPD noch versuchen ihren Wähler*innen gegenüber ihr soziales Gewand festzuhalten, das konnte am rigiden Umgang mit den von Abschiebung bedrohten Menschen und ihren Freund*innen in Neuss live erlebt werden. Daher sollte es weiterhin heißen: sich und andere informieren, Öffentlichkeit schaffen und die Verantwortlichen einer menschenverachtenden Abschiebepolitik mit ihrer Verantwortung für die Folgen konfrontieren!

Und auch praktisch dürfen die von Abschiebung bedrohten Menschen nicht alleingelassen werden!

#NRWIR sollte bedeuten: Nicht in unserem Namen!